Die Differenz der Distanzen beträgt 7,805km. Das mag nicht so viel sein. Ich finde jedoch, dass der Vergleich der absoluten Streckenlänge nicht alle entscheidenden Aspekte berücksichtigt. Bei allen Distanzen in den Disziplinen der Leichtathletik werden auch andere Geschwindigkeiten gelaufen, wenn es darum geht, das Maximum herauszuholen. Nur bei den 100m und 200m ist der Geschwindigkeitsunterschied aufgrund der Beschleunigungsphase einfach sehr gering. Wer auf den 100m lange braucht, um zu beschleunigen, wird evtl. auf den 200m eine höhere Durchschnittsgeschwindigkeit erzielen können. Anders als beim Sprint muss im Langstreckenlauf ein Großteil der Energie aus Kohlenhydraten unter Zuhilfenahme von Sauerstoff in der Muskulatur bereitgestellt werden. Da die Kohlenhydratspeicher begrenzt sind, reicht diese Energie nur ca. 30 bis 35km. Das heißt, dass zusätzliche Energie benötigt wird. Diese kann zum Teil über Getränke oder Gels oder andere Kohlenhydrat-Quellen von außen zugeführt werden. Zum anderen Teil kann diese über die Verstoffwechslung von Fett bereitgestellt werden. Diesen Herausforderungen müssen sich auch alle Athleten im Marathon stellen. Über 50km ist diese Herausforderung einfach etwas größer, weil die kritische Distanz nicht nur von spätestens km 35 bis km 42 reicht, sondern eben von 35 bis 50km. Damit zieht sich das Meistern dieser Herausforderung über die doppelte Distanz. Das prägt den 50km-Lauf aus meiner Sicht sehr. Damit steigen auch die mentalen Anforderungen. Wenn die Beine schwer werden sind es meistens noch 10 bis 15km. Allerdings hat man als guter Marathonläufer auch gute Voraussetzungen, um über 50km erfolgreich zu sein. Für mich ist der Aspekt der Streckenlänge ein wichtiger. Es gibt aber noch mehr Unterschiede.
Der Marathon ist unglaublich populär. Das sieht bei den 50km ganz anders aus. Bei den Deutschen Meisterschaften gehen meist nur 100 bis 200 Männer und Frauen an den Start. Diese gehören oft Ultramarathonvereinen an. Viele von ihnen starten auch auf noch längeren Distanzen. Und auch ich bin ja schon dreimal über 100km und einmal über 6h an den Start gegangen. Über 50km kommt also eine ganz andere Szene zusammen und diese Szene ist deutlich kleiner. Ich treffe oft dieselben Gesichter. Dieser Aspekt ist viel stärker ausgeprägt als im Marathon.
Der Marathonlauf ist viel stärker professionalisiert. Die absolute Spitze besteht aus Profis, die sich zu 100% auf den Sport konzentrieren können. Sie können ihren Lebensunterhalt mit Sponsorengeldern, Start- und Siegprämien und Förderungen von Vereinen, Sporthilfe oder anderen Unterstützern wie der Bundeswehr oder der Polizei bestreiten. Fast jeder ambitionierte Straßenläufer Läufer kennt Haile Gebrselassie oder Eliud Kipchoge. Doch wer kennt schon Ketema Negasa — den 50km-Weltrekordhalter?
50km ist keine Olympische Disziplin. Über 50km werden Weltmeisterschaften ausgetragen, an denen ich 2015 und 2016 teilgenommen habe. Für mich war es ein großer Anreiz mit Spitzenläufern zu messen, die — so wie ich — den Sport in der Freizeit betreiben. Da im Ultramarathon kaum Geld zu verdienen ist — Florian Neuschwander ist eine große Ausnahme — denke ich, dass die Verbreitung von Dopingmitteln geringer ist.
Für mich haben beide Distanzen ihren besonderen Reiz. Über Marathon kam ich 2005 zum Lauftraining. Ich habe auch noch Träume und halte es für möglich, mich auf eine Zeit von unter 2:20 Stunden zu steigern. Über 50km habe ich bereits im Nationaltrikot Deutschland vertreten und erneut für die diesjährige Europameisterschaft die Qualifikation erreicht. Meine Leidenschaft brennt für beide Distanzen. Ich bin sehr dankbar, dass ich damals den Weg zu den 50km gefunden habe. Da die 50km oft auf einer kleineren Runde ausgetragen werden, kann ich Landschaftsläufe wie den Taubertal50, Rennsteiglauf oder die Harzquerung empfehlen. Diese Läufe sind zwar nicht bestenlistentauglich. Doch anders als bei einem Städtemarathon ist es für mich ein großer Anreiz “eins” mit der Natur zu sein, wenn ich Flusslandschaften, Wälder, Hügel oder Täler erkunde.
Denkt doch mal drüber nach, ob ein “kurzer” Ultramarathon auch etwas für Euch sein könnte.
Mit leidenschaftlichen Grüßen