Seit dem Sommer hatte ich auf diesen Tag hingearbeitet. Die Vorbereitung habe ich zusammen mit meinem Trainer, Benedikt Hoffmann, bewusst abwechslungsreich gestaltet. Ich war viel in den Bergen unterwegs. In Wanderstiefeln und auch mit Steigeisen bis auf fast 4000m. Das war kein Höhentraining. Aber so eine Hochtour über einen Gletscher mit Rucksack und Eispickel ist ein natürlich Ganzkörpertraining. Da kam ich aus dem Dauergrinsen gar nicht mehr raus. Auf diese Weise sammelte ich Energie, ganz viel gute Laune und auch eine ganz besondere Gelassenheit..
Und all das nahm ich auch mit zu den Deutschem Meisterschaften nach Bottrop. Zusammen mit Almut und Martin aus dem Ultrateam der LG Nord Berlin wählten wir für die Anreise die Bahn. Auf den letzten Kilometern zur Ferienwohnung nahmen wir noch ein Car-Sharing-Auto. Ich war für einen Wettkampf ungewohnt locker drauf und freute mich auf das waldläufige Waldgebiet nördlich von Bottrop am Rande des Ruhgebietes.
Ich erkundete einen Tag vor dem Wettkampf die Gegend. Die angrenzende Zeche Haniel mit den umliegenden Halden prägt den Charakter der Umgebung. Die Bäumen waren herbstlich gefärbt.
Am Abend vor dem Lauf nahmen wir uns Zeit für ein ruhiges Abendessen in einem netten Restaurante. Und dann kam auch die Anspannung.
Am Renntag absolvierte ich wie so oft einen frühen Auftakt, um den Körper in Schwung zu bringen. Nach einer kleinen Mahlzeit. Ich fühlte mich noch ganz schön müde. Aber bis zum Start war es ja auch noch etwas Zeit.
Ich freute mich sehr darüber, dass Benedikt mich als Tempomacher 30km lang bei meinem Saisonhöhepunkt begleiten wollte. Es waren insgesamt zwei Runden á 25km zu laufen. Ausrichter war der Adler-Langlauf Bottrop im Rahmen seines Herbstwaldlaufes.
Nach meinen Bestzeiten auf den Unterdistanzen über 10km (30:12) Halbmarathon (65:54) war ich mir unsicher, ob ich auch im Ultrabereich meine Bestzeit aus dem Jahr 2015 (2:55:16) toppen würde.
Der Untergrund war alles andere als glatt und erforderte viel Konzentration. Es war alles dabei: viel Laub, kleine und größere Steinchen, Matsch, Pfützen, Sand, kleine Hindernisse, enge Kurven, lange Geraden, Kies, auseinander fallender Asphalt und Beton. Nur auf etwas 1km pro Runde gab es einen glatten Untergrund.
Da die Strecke kurzfristig an einer Stelle verkürzt und an einer anderen Stelle mittels Wendepunkt verlängert wurde, lag zum Zeitpunkt des Rennens kein Vermessungsprotokoll vor. Meine Hoffnung auf eine nachträgliche Vermessung erfüllte sich, jedoch kam dabei heraus, dass die Strecke wenige Meter zu kurz abgesteckt war.
Für die erste Runde benötigte ich zusammen mit Benedikt im Schnitt für jeden KM 3:32 Minuten. Für eine neue Bestleistung würde das nicht reichen. Und deshalb war ich etwas unruhig. Es war aber völlig richtig, hier noch die Handbremse anzuziehen, denn in erster Linie, wollte ich die Chance auf meinen dritten Deutschen Meistertitel nicht gefährden. Es fühlte sich locker und leicht an. Einfach wunderbar. Trotz eines kleinen Toilettenstops konnte ich relativ schnell wieder zur Konkurrenz aufschließen.
Wouter Decock, ein Belgier, der lange Zeit zur Spitzengruppe gehörte, konnte ab KM 20 nicht mehr folgen.
Und bei KM 30 gab Benedikt, der seit 2 Jahren auch meine Trainingssteuerung als Trainer übernommen hat, die Strecke für mich frei.
Ich ließ es von da an einfach laufen und wurde immer schneller. Von 3:30min/km legte ich einen Steigerungslauf über 20km bis 3:12min für den letzten km ins Ziel hin.
Da ich gar nicht während des Laufes mitrechnete wie schnell ich lief, war ich doch sehr überrascht, als ich das Ziel in 2:52:13 Sekunden erreicht hatte. Ich gebe zu, dass mir die Strecke irgendwie lag. Ich mag die Natur und deren “Herausforderungen” abseits der Straßen einfach sehr. Auf der zweiten Runde war ich 4,5min schneller.
Dieser Meistertitel — mein erster für die LG Nord Berlin — bedeutet mir nach 6 Jahren sehr viel, weil ich es geschafft habe, mir diese besondere Leidenschaft, die ich beim Laufen spüre, zu bewahren. In der Zwischenzeit habe ich läuferisch einiges ausprobiert und mich auch an die 100km-Distanz gewagt.
Und nun merke ich, dass mir die Erfahrungen — auch wenn es nicht nur positive waren — weitergebracht haben. Dazu zählt auch ein mentales Training. Darauf gehe ich ein anderes Mal gerne ein.
Ich habe ein neues Niveau erreicht. Das Laufen fühlt sich bei mir derzeit sehr locker und leicht an und auch dafür bin ich sehr dankbar. Das gibt mir die Kraft, die ich für die übrigen Lebensaufgaben gut gebrauchen kann.
Und so gebe ich Euch mit auf dem Weg, dass es sich wirklich lohnt an sich zu glauben. Krankheiten, Verletzungen, Niederlagen, Aufgaben gehören zum Leben dazu. Wichtig ist, dass ihr eure individuellen Ziele verfolgt, die euch als Menschen ausmachen.
Ich werde nun noch einige Zeit die Eindrücke der letzten Zeit verarbeiten und zur Ruhe kommen lassen. Ich bin gerade noch sehr aufgedreht
Vielen Dank an alle, die mich auf meinem Weg unterstützt, mich begleitet und an mich geglaubt haben.