Am Ende meines dritten Aufenthaltes im Riesengebirge möchte ich von meiner zwischenzeitlichen, persönlichen “Metamorphose” zum Skilangläufer und von den Vorteilen dieser alternativen Bewegungsform neben dem Laufen berichten. Im zweiten Teil beziehe ich mich vor allem auf die physischen und psychischen Auswirkungen.
6) Physische Auswirkungen
Im Vergleich zum Laufen wird beim Skilanglaufen der Körper ganzheitlich zur Fortbewegung eingesetzt. Arm-, Rumpf-, Po- und Oberschenkelmuskulatur werden je nach Technik zu größeren Anteilen als beim Laufen zum Vortrieb eingesetzt. So ist die Belastungsdauer nicht nur durch die Energiebereitstellung in der Beinmuskulatur limitiert und es besteht die Möglichkeit die Trainingsdauer deutlich zu steigern. Damit wird das kardiopulmonale System stärker trainiert und zusammen mit intensitätsabhängigen Stoffwechselveränderungen die Sauerstoffaufnahme gesteigert.
Der ehemalige DLV-Bundestrainer, Lothar Pöhlitz, der von 1980 bis 1998 für den Laufbereich zuständig war, schreibt auf der Internetseite la-coaching-academy.de über die vorteilhaften Entwicklungen unter Beachtung der richtigen Trainingsgestaltung, die dem Läufer in der Ausbildung der Grundlagenausdauer Nutzen bringt.”
7) Psychische Auswirkungen
Skilanglaufen härtet ab. Man muss sich als erstes überwinden etwas ungewohntes auszuprobieren. Davon profitiert der Geist. Neue Bewegungsabläufe müssen erlernt und automatisiert werden. Der Gleichgewichtssinn und die eigene Körperwahrnehmung wird geschult. Die Komplexität kann durch die Kombination von den verschiedenen Techniken zur Fortbewegung gesteigert werden. Das ist meiner Meinung einer Herausforderung, die für das Laufen förderlich ist. Gleichzeitig wird das Durchhaltevermögen gesteigert, wenn man mit den Skiern bis zu vier Stunden am Stück unterwegs ist. Dabei muss man auch mal kleine Tiefpunkte überstehen, die einen hinterher stärker werden lassen. Außerdem wird mit der wachsenden Dauer der Einheit, die Bedeutung der Konzentrationsfähigkeit immer bedeutsamer. Die Gefahr, Fehler im Bewegungsablauf zu machen und dadurch zu stürzen, steigt.
8) Keine Impacts
Das Risiko sich eine Reizung oder Verletzung durch Überbelastung zu zuziehen wird im Vergleich zum Laufen stark reduziert. Bei der gleitenden Fortbewegung auf Skiern wird die Stauchung durch den Aufprall auf den Boden bei jedem Schritt im Vergleich zum Laufen auf ein Minimum reduziert. Die Schneedecke hat zusätzlich dämpfende Eigenschaften. Somit werden die Gelenke und die Wirbelsäule geschont. Infolge der langsameren Bewegungsabfolge kommen besonders die positiven Faktoren der Bewegung zur Geltung.
9) Geringe Ausrüstungskosten
Zur Ausrüstung gehören die Skier mit Steigzone, die Stöcke und die Schuhe. Ein komplettes Set ist gebraucht ab 200 Euro zu bekommen. Für das Leihen für einen Tag bezahlt man in Polen rund 7 Euro. Als Läufer benötigt man keine spezielle Winterbekleidung. Die Winterjacke und -tight, sind völlig ausreichend. Die dicke Handschuhe würde ich nach dem Aktivitätsniveau wählen. Je mehr man vorhat sich anzustrengen, desto dünner sollten sie ausfallen. Moderne Kunstfasern trocknen schnell, so dass man mit der Zeit keine nassen Lappen mit sich herumschleppt. Um sich unterwegs, besonders bei langen Einheiten, zu verpflegen, bieten sich Gürteltaschen mit einem Flaschenhalter an. Im Gegensatz zum Laufen stört zusätzliches Gewicht kaum. Sehr hilfreich waren für mich diverse Pflaser und Tapeverbände, um bei der Umstellung an die neue Bewegungsform in den erhöhten Schuhen Blasenbildung und Reizungen an Sehnen durch ungewohnte Druckstellen zu mindern oder ganz zu verhindern.
10) Abwechslung
Der Geschwindigkeitsrausch bei bis zu 50 km/h bergab, der zusammen mit riskanten Schikanen jede Menge Adrenalin ausschütten lässt. Das Genießen sanfter Anstiege aber auch die körperliche Anstrengung bei knackigen Bergauf-Passagen, die mich schnell ins Schwitzen bringen. Skilanglaufen bietet eine Menge Abwechslung. Verschiedenes Terrain wechselt sich ab und bietet zusammen mit unbeschreiblichen Panorama-Ausblicken bei wolkenlosem Himmel immer neue Herausforderungen. Man weiß nie, was einem hinter der nächsten Biegung erwarten wird.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass das Skilanglaufen im Winter eine ideale Möglichkeit bietet, die Ausdauerwerte auf schonende Art und Weise zu verbessern. Auf eine Flugreise in den warmen Süden kann verzichtet werden und so muss sich der Körper nicht an eine plötzliche klimatische Änderung mit einer großen Temperaturdifferenz gewöhnen. Für mich stellt das Skilanglaufen das Ass im Ärmel dar, dass wir Europäer in der Vorbereitung viel stärker nutzen könnten, um den Abstand zur Weltspitze in allen Laufdisziplinen zu verringern. Vielleicht würde man dann ja sogar einzelne Afrikaner in unseren Breitengraden auf Skiern im Schnee entdecken, statt europäische Läufer auf den Hochebenen Afrikas.
Auch das nächste Mal würde ich das Riesengebirge, das aus Berlin in vier Stunden mit dem Auto erreichbar ist, als Ziel auswählen. Auf rund 1000 Meter über NN erwartet mich hier von Dezember bis März auf der Passhöhe oberhalb von Szklarska Poreba ein weitläufiges Loipennetz, dass sehr professionell präpariert wird. Viele Hotels und Pensionen bieten einen freundlichen Service und leckeres Essen zu günstigen Preisen an. Neben dem Skilanglaufen gibt es die Gelegenheit ausgiebige Winterwanderungen zu unternehmen und für alle alpinen Skifans gibt es am 1300 Meter hohen Berg mit dem Namen “Reifträger” eine kleine, aber feine Auswahl an blau, roten und schwarzen Pisten.
Die Tage werde ich auch deshalb in guter Erinnerungen behalten, weil mich das Zusammensein mit anderen Berlinern Läufern, die mit mir gereist waren, motiviert hat und gemeinsame Abende in der Sauna oder beim Tabu-Spielen zum Lachen gebracht haben. Ihnen allen gilt mein Dank und ich bin gespannt, wer sich im nächsten Jahr mit mir auf die abenteuerliche Suche nach Rübezahl begeben wird.