In diesem Winter nahm ich mir den Berliner Mittelstreckenläufer Carsten Schlangen zum Vorbild. Als Vizeeuropameister 2011 über 1500 Meter macht er sehr erfolgreich vor, wie man gerade im Winter seine Ausdauerwerte für die Höhepunkte im Sommer steigert, ohne in den warmen Süden ans Meer zu reisen. Den zweimaligen Halbfinalisten bei den Olympischen Spielen in Peking und London zieht es in den kalten Monaten bei entsprechender Schneelage immer wieder auf die Loipen in ganz Europa. Während seines Auslandsaufenthalts als Student in Finnland, eignete er sich im Winter 2003/2004 die Technik in Eigenregie an. Diese Zeit sollte ihm den entschiedenen Schub geben und erst im Anschluss begann sein Weg als Leistungssportler: 2005 folgte für den damals 25-Jährigen das Schlüsselerlebnis, als er bei den Deutschen Meisterschaften in Wattenscheid hinter Franek Haschke Deutscher Vizemeister wurde. Danach folgten im Trikot der LG Nord Berlin 14 Deutsche Meistertitel über 1500 Meter, mit der 3x1000-Meter-Staffel und im Crosslaufen. Im letzten Jahr lief er bei der letzten Möglichkeit, die Nominierungszeit für die Olympischen Spiele in London zu unterbieten, seine Bestzeit von 3:33,64 Minuten. Das sehenswerte Rennen kann auf leichtathletik.TV angeschaut werden. Dass Carsten Schlangen seine Formkurve bis zu diesem perfekten Rennen im Juli über eine Vielzahl von internationalen Wettkämpfen in Marokko, den USA und in Frankreich halten konnte und anschließend realistische Chancen hatte, dass Finale in London zu erreichen, was nur durch Unstimmigkeiten im “Feintuning” in der unmittelbaren Vorbereitung scheiterte, ist für mich insbesondere durch seine intensive Ausbildung seiner Grundlagenausdauer auf Langlaufskiern im Winter zu erklären. Dadurch wird frühzeitig ein höheres Level erreicht, worauf man im weiteren semispezifischen Training aufbauen kann. Am Ende meines dritten Aufenthaltes im Riesengebirge möchte ich nun von meiner zwischenzeitlichen, persönlichen “Metamorphose” zum Skilangläufer und von den Vorteilen dieser alternativen Bewegungsform neben dem Laufen berichten.
25 Tage auf Skier im Riesengebirge. 25 Tage mit perfekten Bedingungen. Für mich gab es nur gutes Wetter, so dass ich mich jeden Tag aufs Neue freute, den Startschuss zur Einheit zu geben. Bis zu 50 Kilometer lange Touren absolvierte ich im Reich Rübezahls. Bevor ich nun die Skier wieder in die Ecke stellen werde, möchte ich der Frage nachgehen, was mich am Skilanglaufen fasziniert und welche Auswirkungen es auf mich hat. Daneben möchte ich andere ermutigen, sich ebenfalls auf die dünnen Bretter zu trauen, denn Skilanglaufen ist nicht nur eine tolle Möglichkeit für das Ausdauertraining im Winter. Es kann einen riesigen Spaß bereiten. Voraussetzung ist, dass man sich darauf einlässt und die ersten Bruchlandungen im Tiefschnee mit Humor nimmt!
1) Natur vs. Millionenstadt
Als Kind der Großstadt bin ich im dichten Verkehrsdschungel aufgewachsen. Auch wenn Berlin als grüne Stadt bekannt ist, bin ich vom großen Kontrast zur unberührten Natur in einsamen Gebieten beeindruckt. In der Loipe lasse ich das Gedränge in der U-Bahn, den Gestank der Autoabgase und die Hektik des Alltags weit hinter mir. Grenzenlose Freiheit lassen mich in der Bewegung aufgehen und ich genieße die Natur mit allen Sinnen.
2) Voller Körpereinsatz
Beim Skilanglaufen werden alle Muskeln beansprucht. Vor allem die Rumpfstabilität wird trainiert. Einen großen Anteil an der Vorwärtsbewegung haben im Vergleich zum Laufen auch die Arme. Für einen kräftigen Stockeinsatz wird der ganze Oberkörper einschließlich des Rückens benötigt. Eine gute Körperspannung ist dafür Voraussetzung. Ebenfalls wird der Fußabdruck gestärkt, so dass vom großen Zeh bis zur Nackenmuskulatur des letzten Halswirbels der gesamte Körper im Einsatz ist.
3) Temperatur- und Wetterunabhängigkeit
Selbst Temperaturen von bis zu minus 20 Grad sind für mich kein Grund das Training ausfallen zu lassen. Die Intensität beim Skilanglauf kann problemlos angepasst werden und der Körper heizt sich noch intensiver und gleichmäßiger als beim Laufen auf. So werden auch die Fingerspitzen gut durchblutet. Selbst bei tief winterlichen Bedingungen mit anhaltendem Schneefall sind meist drei Bekleidungsschichten bei gemäßigter Intensität ausreichend. Aber auf keinen Fall sollte auf die Mütze für den Kopf verzichtet werden.
4) Schnelle Erfolge
Gerade Anfänger werden überrascht sein, wie schnell man Fortschritte macht. Wenn man die Balance und die Grundlagen der Diagonaltechnik auf breiteren Skiern in gemäßigtem Tempo und in der Ebene beherrscht, kann man schon bald dünnere und damit schnellere Modelle wählen. Wichtig für die Motivation war bei mir das Setzen meiner Ziele in kleinen Schritten. In meinem Leben stand ich bis zu diesem Winter maximal 4 Wochen auf Langlaufskiern. Das reichte, um die Grundlagen zu erlernen. Anfänglich profitierte ich sehr von den Tipps meines Trainers. Beim Training in der Gruppe konnten wir uns auch gegenseitig Hinweise geben, denn von außen betrachtet sind die eigenen Fehler, die man selbst gar nicht wahrnimmt, schnell korrigiert. In diesem Winter wahr ich nun bereit, auf eigene Faust loszuziehen und meine Grenzen auszutesten. So ist mir inzwischen keine Abfahrt zu steil und keine Kurve zu eng. Dennoch kann ich in Zukunft immer noch dazulernen.
5) Breites Variationsspektrum
Belastungsdauer und -intensität können noch besser als beim Laufen variiert werden. Lange ruhige Läufe sind am einfachsten umzusetzen. Wer mit seinem Herzfrequenzmesser unterwegs ist, kann sich selbst kontrollieren und den gewünschten Anstrengungsgrad einhalten. Mit zunehmender Sicherheit kann auch ein Tempo-DL realisiert werden. Zudem kann die natürliche Steigung im Gelände für Tempiwechsel und Fahrtspiele genutzt werden. Ein weiterer Vorteil bietet der Wechsel der Technik, die je nach Streckenabschnitt angepasst werden kann. Zur Auswahl stehen der klassische Diagonalschritt, der Doppelstockschub mit und ohne Beineinsatz sowie der Skatingschritt. So kann man nach Belieben die Beanspruchung der Oberschenkel-, Po-, und Arm-Muskulatur dosieren.