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Was gibt es Schö­ne­res als ein Läuf­chen durch den nächt­li­chen Win­ter­wald bei Voll­mond? Das ging mir heu­te bei ei­nem lo­cke­ren Dau­er­lauf am Abend durch den Kopf. Wie dar­aus eine klei­ne Sur­vi­val-Tour mit ei­ner gro­ßen Por­ti­on Ner­ven­kit­zel wur­de, be­rich­te ich noch ganz be­wegt di­rekt aus dem Trai­nings­la­ger im Rie­sen­ge­bir­ge.

Start war 17 Uhr in der Däm­me­rung. 30 Mi­nu­ten spä­ter soll­te es rich­tig dun­kel sein. Ich lie­be es, in der Däm­me­rung zu lau­fen und die Dun­kel­heit er­zeugt bei mir eine be­son­ders tie­fe Ent­span­nung. Auf dem Plan stan­den 60 Mi­nu­ten in ei­nem lo­cke­ren Tem­po. Ich woll­te nach der Hälf­te der Zeit um­keh­ren und den be­schau­li­chen Weg, der sich durch den Wald schlän­gel­te, in ent­ge­gen­ge­setz­ter Rich­tung fol­gen. Aber ich war nach der zwei­stün­di­gen Ski­lang­lauf-Ein­heit am Vor­mit­tag noch nicht aus­ge­las­tet. Des­halb kam ich auf die Idee, den Rück­weg span­nen­der zu ge­stal­ten. So wähl­te ich ei­nen Ab­zweig und schlug ei­nen Weg berg­an ein. Ich hat­te in Er­in­ne­rung, dass auf der Kar­te in der Un­ter­kunft eine Al­ter­na­ti­ve par­al­lel zu mei­nem Hin­weg ca 100 Hö­hen­me­ter ober­halb ein­ge­zeich­net war.

Das Vor­ha­ben en­de­te sehr spek­ta­ku­lär als ich es hät­te er­ah­nen kön­nen. Der ru­hi­ge Lauf zum Ta­gesaus­klang ver­wan­del­te sich sehr schnell in ei­nen Über­le­bens­kampf: Ich hat­te kei­ne Lam­pe, nur den Mond. Ich hat­te kei­ne Kar­te, nur die un­ge­fäh­re Rich­tung im Kopf und nicht das We­ge­netz mit den Bä­chen tal­wärts. Er­schwe­rend kam hin­zu, dass es die Tage sehr viel Neu­schnee ge­ge­ben hat­te. Des­halb wur­de der Schnee, je hö­her ich kam, im­mer tie­fer. Ich dach­te mir: “Egal, im­mer den Berg hoch. Mal rechts, mal links. So wie ich an­nahm, auf dem rich­ti­gen Kurs zu sein. Ich merk­te schnell, dass die Be­din­gun­gen schwie­ri­ger wa­ren als ich ge­dacht hat­te, aber ich woll­te auf kei­nen Fall den ein­fa­chen Weg, den Weg zu­rück, neh­men. “Auf­ge­ben gilt nicht”, das lehr­te mich einst Frank Bu­se­mann. Was ich mir in den Kopf ge­setzt habe, dass zie­he ich auch durch.

Der brei­te Fahr­weg en­de­te ir­gend­wann an ei­nem Art Stein­bruch auf. War das die End­sta­ti­on? Nicht für Niels ali­as “Bu­bel-Earth”. Ich nahm mei­ne Bril­le ab, die mit der auf­stei­gen­den Kör­per­wär­me bei -12 Grad so­fort be­schlug. Dum­mer Wei­se hat­te ich mei­ne un­be­schlag­ba­re X-Kross von SZIOLS eine Pau­se ge­gönnt. Ich son­dier­te die Lage. Da wa­ren Spu­ren im Schnee. Ich war mir si­cher in der rich­ti­gen Rich­tung un­ter­wegs zu sein. “Also quer durch den Wald, was soll schon pas­sie­ren?”, sag­te ich zu mir selbst. So bahn­te ich mir den Weg über eine auf­ge­weich­te Wie­se, wo die obe­re Eis­schicht laut knack­te und das Bein plötz­lich bis zur Hüf­te ver­schwand. “Uups, so ein­fach wie ge­dacht, wird das wohl doch nicht”, und ich frag­te mich, ob es hier ge­fähr­li­che Tie­re wie Wöl­fe oder Bä­ren gibt?” Ein we­nig mul­mig wur­de mir spä­tes­tens an die­ser Stel­le schon. Der Ad­re­na­lin­spie­gel stieg kon­ti­nu­ier­lich im­mer wei­ter. Ich war ganz in mei­nem Ele­ment. Auf der Grat­wan­de­rung zwi­schen Ner­ven­kit­zel und Über­le­bens­kampf. “Was wür­de pas­sie­ren, wenn…”, war für mich nicht von Be­deu­tung. Ich war mir si­cher: “Der Bu­bel der schafft das.”

We­nig spä­ter stieß ich auf ei­nen klei­nen Pfad zwi­schen gro­ßen Fels­bro­cken. Dem folg­te ich berg­auf. Im­mer wei­ter. Rechts ging es steil berg­ab. Ich war mit­ten in der Wild­nis auf rund 1000 Hö­hen­me­tern nicht weit von der Schnee­kop­pe ent­fernt. Ich be­kam so lang­sam Hun­ger und Durst. “Wer­de ich es bis zum Abend­essen recht­zei­tig schaf­fen?”, schoss es mir in den Kopf. Ich schau­te auf die Uhr und be­griff in dem sel­ben Mo­ment, dass das die fal­sche Fra­ge war: “Wür­de ich mei­ne ro­man­ti­sche Mond­schein-Ex­pe­di­ti­on über­haupt über­le­ben?” Als Groß­städ­ter ist man ja die un­be­rühr­te Na­tur ge­ra­de nachts dann eher doch nicht ge­wöhnt. Da­für ist man im Groß­stadt­dschun­gel an­de­ren Ge­fah­ren aus­ge­setzt. Aber war­um soll­te ich in mei­ner Si­tua­ti­on über die Ge­fah­ren in ei­ner Mil­lio­nen­stadt phi­lo­so­phie­ren? Ich hat­te ganz an­de­re Pro­ble­me. In­zwi­schen wa­ren 80 Mi­nu­ten ver­gan­gen. Mit mei­nem neu­en 2XU-Com­pres­si­on-Shirt, das ich nun so rich­tig auf die Pro­be ge­stellt habe, ei­nem Longs­lee­ve-Shirt und ei­ner som­mer­li­chen Lauf­ja­cke war ich et­was spär­lich für die­sen Schnee-Trip ge­klei­det. Die Ex­tre­mi­tä­ten wa­ren auch nicht mehr so gut an­steu­er­bar. Das konn­te ich jetzt aber nicht än­dern. “Lie­ge ich mit mei­ner Rich­tungs­wahl etwa doch ver­kehrt? Soll ich bes­ser doch um­keh­ren? Das wür­de das Gan­ze auch nicht ein­fa­cher ma­chen.” Dann folg­te das Schild zum Ein­gang in den Na­tio­nal­park. Ich war also auf dem rich­ti­gen Weg. Nach ei­nem Ge­röll­feld hat­te ich auch end­lich die Baum­gren­ze bei 1100 Me­ter er­reicht. Das be­deu­te­te, dass ich rund 500 Hö­hen­me­ter in 60 Mi­nu­ten er­klom­men hat­te. Kurz dar­auf sah ich Licht: die Ster­ne? Der Him­mel war klar. Aber es blitz­te wie­der. Und wie­der. Ein Haus. Die Berg­hüt­te war es, die ich auf der Kar­te auf dem Kamm ge­se­hen hat­te. Ei­nen Weg gab jetzt nicht mehr. Also ab durch den tie­fen Schnee. Oben an­ge­kom­men hat­te ich kei­ne Muße für die herr­li­che Aus­sicht auf die Berg­ket­te. Ich woll­te sooo schnell es ging run­ter ins War­me. Mei­ne Fin­ger wa­ren am Ab­frie­ren und da war ja noch das Abend­essen. Mir blie­ben noch 30 Mi­nu­ten. Ich woll­te pünkt­lich un­ten sein. Nach kur­zer Neu­ori­en­tie­rung folg­te ich dem di­rek­ten Weg steil berg­ab.

Nach Kreu­zen der Ski­pis­ten er­reich­te ich mit Sie­ben­mei­len-Stie­feln auf den letz­ten Me­tern berg­ab nach 20 Ki­lo­me­tern und 2 Stun­den in mei­nem per­sön­li­chen “Run­ners High” die si­che­re Un­ter­kunft, die ich vor Freu­de zwei­mal zum Ab­schluss um­run­de­te. An dem heu­ti­gen Abend schmeck­te das Abend­essen un­be­schreib­lich gut und ich konn­te den war­men Ka­min­ofen rich­tig wert­schät­zen. Wer mich fra­gen wür­de, ob ich so eine Tour wie­der un­ter­neh­men wür­de, dem ver­si­che­re ich: “Ich wür­de es je­der­zeit wie­der tun, denn das ist mei­ne Art das Le­ben zu ge­nie­ßen und ‘Lei­den­schaft ist im­mer sieg­reich’!”