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Niels Bubel - Laufen, Leben, Gutes tun
Seit fast 10 Jah­ren träu­me ich da­von 100km zu lau­fen. Wäh­rend der Lek­tü­re des Bu­ches “Lau­fen” von Bernd Hein­rich ent­stand mei­ne Lei­den­schaft für die­se ganz be­son­de­re Dis­zi­plin. Die­se 100km fas­zi­nie­ren mich seit­dem un­ge­mein. Lau­fen ist ein gro­ßer Be­stand­teil mei­nes Le­bens und ich möch­te es nicht mehr mis­sen. Ich be­gann im­mer öf­ter zu lau­fen, oft zwei­mal am Tag. Und ich spür­te, dass mir das gut tat. In mei­nen Au­gen ist der Mensch zum Lau­fen ge­macht. Gleich­zei­tig ver­folg­te ich wäh­rend des Lau­fens be­stimm­te Zie­le. In mir wur­de ein Ehr­geiz ge­weckt, nicht nur eine be­stimm­te Di­stanz zu­rück zu le­gen, son­dern da­bei auch be­son­ders schnell zu sein und mich in mit an­de­ren in Wett­läu­fen zu mes­sen.

Lan­ge Zeit ging es für mich dar­um, neue per­sön­li­che Best­zei­ten auf Stre­cken zwi­schen 5000m bis zum Ma­ra­thon auf­zu­stel­len. Da­bei ver­folg­te ich das Ziel, mich ir­gend­wann mit den bes­ten Läu­fern zu mes­sen: den bes­ten Ber­li­nern, den bes­ten Nord­deut­schen, den bes­ten Deut­schen. Die­se Zie­le er­reich­te ich, doch der sport­li­che Wett­kampf auf Welt­ni­veau war für mich auf die­sen Di­stan­zen eine Num­mer zu groß. Aus ir­gend­ei­nem Grund fühl­te ich trotz mei­ner re­gio­na­len und na­tio­na­len Er­fol­ge eine Un­ru­he in mir. Die Un­ru­he emp­fand ich nicht als ne­ga­tiv, denn dar­aus ent­stand gleich­zei­tig ein Teil mei­ner Mo­ti­va­ti­on‎ je­den Tag lau­fen zu ge­hen, mit dem Ziel bes­ser zu wer­den. Die­se Un­ru­he ist ein Krib­beln im Kör­per, ein Un­gleich­ge­wicht und vie­le ver­schie­de­ne Ge­dan­ken im Kopf. Das war vor 6 Jah­ren.

Ich woll­te also an mir ar­bei­ten, ich woll­te noch bes­ser wer­den, ich woll­te zu den Bes­ten ge­hö­ren. Ich glaub­te erst dann glück­lich sein zu kön­nen. Ich er­in­ner­te mich wie­der an die 100km — an mei­nen Traum, die­se Di­stanz zu be­wäl­ti­gen. Ich spür­te, dass ich hier zu den Bes­ten dazu ge­hö­ren könn­te — auf den kur­zen Di­stan­zen fehl­te mir die nö­ti­ge Grund­schnel­lig­keit und mei­ne Lei­den­schaft galt schon im­mer den lan­gen, ru­hi­gen Lau­fen. Könn­te ich es schaf­fen, im Na­tio­nal­tri­kot für Deutsch­land zu star­ten? Da­mit war mein Traum ge­bo­ren und er schien im Kopf ganz nah zu sein.‎

Vor 4 Jah­ren nutz­te ich eine Chan­ce, die sich mir im Kon­text der Einstiegs-Ultra‎langstreckenlauf-Distanz, den 50km, bot. Bei mei­ner Pre­mie­re auf die­ser Di­stanz wur­de ich dank mei­ner Er­fah­run­gen des Ma­ra­thons Deut­scher Meis­ter. Dies war eine Zwi­schen­sta­ti­on auf dem Weg zu den 100km für mich. Für die­se Di­stanz fühl­te ich mich auch ein Jahr spä­ter noch nicht be­reit und so ver­tei­dig­te ich mei­nen Ti­tel über die 50km. Da­durch konn­te ich mir ei­nen klei­nen Traum er­fül­len: ich durf­te im Na­tio­nal­tri­kot Deutsch­lands lau­fen und mich mit den bes­ten Läu­fern der Welt über 50km mes­sen. Bei der WM in Doha (Ka­tar) be­leg­te ich den 9. Platz. Das war mein bis da­hin größ­ter Er­folg. Doch die Un­ru­he blieb und ich träum­te wei­ter von den 100km.

2016 habe ich mich dann erst­mals an die 100km ge­wagt. Das Trai­ning ver­lief gut. Doch ich hat­te noch zu we­nig Er­fah­rung auf den Di­stan­zen jen­seits der 50km. Bei den Deut­schen Meis­ter­schaf­ten lag ich bis km 70 auf Platz 2, dann re­bel­lier­te mein Kör­per. Ich hat­te gro­ße Mühe das Ziel zu er­rei­chen. So hat­te ich mir das nicht vor­ge­stellt. Statt zur 100km-WM fuhr ich er­neut nach Doha zu mei­ner zwei­ten 50 km-WM. Mei­nen Ein­zel­er­folg vom Vor­jahr konn­te ich nicht wie­der­ho­len. Doch dies­mal war ich Teil ei­nes Män­ner­teams. Wir er­reich­ten ge­mein­sam in der Team­wer­tung den 3. Rang und wur­den mit der Bron­ze-Me­dail­le be­lohnt. Das über­traf mei­nen Er­folg aus dem Jah­re zu­vor. Ich war zu­frie­den, doch ich spür­te im­mer noch die­sel­be Un­ru­he wie nach mei­nen (Halb-)Marathonläufen. Ich woll­te nun auch auf den 100km er­folg­reich sein und mei­nem Traum nä­her kom­men.‎ Also star­te­te ich ei­nen zwei­ten Ver­such.

2017 ging ich in Ber­lin mit Heim­vor­teil ‎an den Start mei­ner zwei­ten Deut­schen Meis­ter­schaft über 100km. Ich hat­te zwar schon mehr Er­fah­rung als im Vor­jahr, ich muss­te je­doch ein­se­hen, dass auch eine fast per­fek­te Vor­be­rei­tung kein Er­folgs­ga­rant ist, wenn man nicht aus­ge­ruht an den Start geht. Mein Stu­di­en­ab­schluss hat­te viel Kraft ge­kos­tet. Die­se fehl­te mir ab km 75 und so be­en­de­te ich das Ren­nen vor­zei­tig.

Seit­dem habe ich viel nach­ge­dacht und ich habe ei­ni­ges ge­än­dert. Nicht an mei­nem Trai­ning, son­dern in mei­nem Kopf. Ich spü­re im­mer noch die­se Un­ru­he und ich möch­te auch wie­der 100km lau­fen. Doch ich gehe nun an­ders an ei­nen Wett­kampf her­an. Ich möch­te mei­nem Kör­per nicht vor­ge­ben, in wel­cher Ge­schwin­dig­keit er die 100km zu ab­sol­vie­ren hat, da­mit ich am Ende mei­nen Traum mit ei­ner WM-Teil­nah­me ver­wirk­li­chen kann.

Ich wer­de ab jetzt mei­nen Er­folg nicht an der Ziel­zeit fest­ma­chen‎, son­dern an dem Ge­fühl, was ich da­bei emp­fin­de. Ich möch­te auch nicht erst dann glück­lich sein, wenn ich ein de­fi­nier­tes Ziel er­reicht habe. Ich bin in­zwi­schen glück­lich, wenn ich den ers­ten Schritt in Rich­tung mei­nes Trau­mes ge­gan­gen bin. Ob ich den Traum ver­wirk­li­chen wer­den kann, das ist eine an­de­re Fra­ge. Ich habe also nicht mei­ne Ziel­stel­lung ge­än­dert, son­dern nur die Art und Wei­se — also die Qua­li­tät wie ich mei­nen Weg be­strei­te und da­bei steht die Zu­frie­den­heit und der Rhyth­mus mei­nes Kör­pers im Vor­der­grund.

Ich habe ge­lernt mit mei­ner Un­ru­he um­zu­ge­hen und sie mir als An­trieb zum rich­ti­gen Zeit­punkt zu Nut­zen zu ma­chen. Ich lau­fe nun je­den Tag mit dem Ziel, Glück­lich zu sein, bei dem was ich tue — in je­dem Mo­ment und eine Aus­ge­gli­chen­heit nicht erst in der Zu­kunft zu er­zie­len.

Zu­letzt habe ich die Ber­lin-Bran­den­bur­gi­sche Meis­ter­schaft über 100km ge­won­nen. Da­bei habe ich er­neut ge­spürt, dass die 100km-Di­stanz die­je­ni­ge Stre­cke ist, die mich am meis­ten reizt und bei der ich am meis­ten Lei­den­schaft emp­fin­de. Mei­ne er­ziel­te Zeit von 7:43:54 Stun­den hat nicht ge­reicht, um mich für die Welt­meis­ter­schaft zu qua­li­fi­zie­ren. Doch im Ver­lauf der Wett­kampf­vor­be­rei­tung und im Wett­kampf selbst habe ich sehr viel ge­lernt.

Ich bin be­reits jetzt glück­lich und zu­frie­den. Das Le­ben er­füllt mich und das Lau­fen ist wei­ter­hin auch nach mei­nem Stu­di­um ne­ben mei­ner be­ruf­li­chen Tä­tig­keit ein gro­ßer und fes­ter Be­stand­teil. Je­den Tag spü­re ich das Glück, das mich er­füllt. Mein Traum von den 100km bleibt wei­ter­hin be­stehen. Doch an die­sem Traum hängt nicht mehr mein Glück und mei­ne Zu­frie­den­heit. Ich bin ein­fach ge­spannt, was ich in der Zu­kunft er­le­ben wer­den. Ich habe ge­lernt, dass man das Ver­wirk­li­chen ei­nes Trau­mes nicht pla­nen kann.