Noch zwei Wochen zuvor hatte mich eine Erkältung voll erwischt, nachdem ich das ganze Wochenende bei den Deutschen Jugend-Meisterschaften in Halle für leichtathletik.TV im Einsatz gewesen war. Keine Minute wollte vergehen, in der ich nicht Husten, Schniefen oder Schnauben musste. Dazu schmerzte der Hals und ich wollte nur ungern akzeptieren, ein paar Tage aufs Laufen verzichten zu müssen. Drei Tage mit Ingwer-Zitronen-Honig-Tee machten mich wieder fit. Am folgenden Wochenende, wo ich in Dortmund bei der Hallen-DM den Live-Stream betreute, wurde ich von einer späten Ladung Schnee überrascht. Statt auf der Finnenbahn hinter dem Fußballtempel meine Runde zu drehen, spielte ich Schneepflug auf der Hauptstraße. Den Wechsel von den Skiern zurück zum Laufen hatte ich mir einfacher vorgestellt. Trotz meiner guten Vorbereitung im Riesengebirge schien der Saisoneinstieg am ersten März-Wochenende in die Ferne gerückt zu sein.
Doch die Kraft kam schnell wieder zurück und damit auch der Kampfeswillen. Nach einem Antesten auf der 400 Meter Bahn, war mir klar, dass die Beine schneller konnten als ich es vermutet hatte. Nach gefühlten 20 Jahren kehrte ich in den Britzer Garten, einer zu Bundesgartenschau 1985 angelegte Parklandschaft, zurück. Dort war ich vor allem mit meiner Oma, die in der Nähe gewohnt hatte, zum Spielen, Toben, Drachensteigen und Eisenbahnfahren unterwegs gewesen. Ich kenne dort jeden Stein und Grashalm und fühlte mich sofort wieder sehr heimisch. Pünktlich um 10:20 Uhr gab Andreas Lehmberg den Startschuss und über 500 Läuferinnen und Läufer läuteten die Berliner Laufsaison ein. An der Spitze gruppierte sich sofort eine achtköpfige Spitzengruppe. Die ein Kilometer lange Einführungsrunde absolvierten wir in 3:15 Minuten. Das Tempo empfand ich als sehr angenehm und es war ein tolles Gefühl in der geschlossenen Gruppe mitzuschwimmen. Es folgten nun zwei 4,5 Kilometer-Schleifen über das gesamte Parkgelände. Der Wind wehte in Böen aus westlicher Richtung und so wechselten die Läufer an der Spitze. Neben den Jungs von den ausrichtenden Neuköllner Sportfreunden, Christian Krannich, Nico Matysik und Marc Landmann, bestimmte auch Jonas Engler von der LG Süd das Tempo. In einem gleichmäßigen Tempo erreichten wir die 5 Kilometer-Marke nach 16:17 Minuten. Zum Beginn der zweiten Runde beschleunigte ich das Tempo und konnte mich von dem Feld lösen. Mein Ziel lautete unter 32 Minuten zu bleiben und ich fühlte mich stark genug, diese Zeit mit einer deutlich schnelleren zweiten Hälfte zu unterbieten. Jonas Engler sorgte dafür, dass das Tempo hoch blieb. Er war mit gefolgt heftete sich an meine Fersen. Ohne taktische Spielchen und ohne zu wissen wie schnell ich war zog ich mein Ding durch. Auf den letzten beiden Kilometern versuchte ich noch einmal anzuziehen, da ich im Endspurt meine Chancen für sehr gering einschätzte. Es gelang mir aber nicht, mich von Jonas zu lösen, der wie in der Formel 1 in meinem Windschatten klebte und erst vor der letzten Kurve an mir vorbei flog. Ich konnte den Kontakt zwar noch halten, aber die Kraft reichte mir bei nicht mehr zu einem Konter und so liefen wir im Abstand von 5–10 Metern ins Ziel ein. Mit 31:40 Minuten verbesserte ich meine Bestzeit um 44 Sekunden und konnte auf Anhieb mein erstes gestecktes Jahresziel abhacken. Mit der zweiten Hälfte in 15:23 Minuten und den letzten beiden Kilometern in rund 6:00 Minuten bin ich mehr als zufrieden. Auf Rang drei folgte mit 43 Sekunden Abstand Christian Krannich vor Jonas Wienecke.
Ich genoss das Gefühl, unerwarteter Weise so gut in diese Saison eingestiegen zu sein und freute mich, mit vielen bekannten Gesichtern meine Glücksgefühle teilen zu können. Beflügelt werde ich nun meine Wochenkilometer nach oben Schrauben und die nächsten Ziele in Angriff nehmen.