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Joseph Kinbunja, Niels Bubel, Henry Wanyoike beim 5. Run of Spirit

Der Run of Spi­rit im Evan­ge­li­schen Jo­han­nes­stift zeig­te wie­der, wie sehr Eu­pho­rie be­flü­gelt. Dies­mal war ich wie­der stär­ker in die Or­ga­ni­sa­ti­on mit ein­ge­bun­den. Über 6 Mo­na­te wa­ren wir mit der Vor­be­rei­tung be­schäf­tigt. Dem­entspre­chend freu­te ich mich auf das Wie­der­se­hen mit un­se­ren Gäs­ten aus Ke­nia, Is­ra­el und Po­len. Es war ein tol­les Ge­fühl die Jungs in die Arme neh­men zu kön­nen, denn in­zwi­schen ist eine sehr freund­schaft­li­che Be­zie­hung ent­stan­den. Zu­sam­men hat­ten wir be­reits am Sams­tag im Fest­saal ge­mein­sam mit vie­len Gäs­ten den Film “Gold — Du kannst mehr als Du denkst” ge­schaut. Zum zwei­ten Mal war von Bil­dern sehr be­wegt. Es ist kei­ne Selbst­ver­ständ­lich­keit ohne Hilfs­mit­tel völ­lig frei Sport trei­ben zu kön­nen. So schnell kann ich von ei­ner Krank­heit oder ei­nem Un­fall aus der Bahn ge­wor­fen wer­den. Dann än­dert sich das Le­ben schlag­ar­tig und ge­steck­te Zie­le rü­cken in die Un­end­lich­keit. So ha­ben es die drei Cha­rak­te­re des Do­ku­men­tar­fil­mes er­lebt. Sie wur­den auf ih­rem Weg zu den Pa­ralym­pics 2012 in Lon­don be­glei­tet. Auch ohne bzw. ohne funk­tio­nie­ren­de Bei­ne und ohne Au­gen­licht ver­fol­gen sie Zie­le, die selbst für vie­le ohne Han­di­caps un­er­reich­bar schei­nen. Kirs­ten Bruhn, Kurt Fearn­ley und Hen­ry Wan­yoi­ke ha­ben schwe­re Schick­sals­schlä­ge über­stan­den und ihre Träu­me nicht auf­ge­ge­ben. Sie las­sen die Bot­schaft des Fil­mes le­ben­dig wer­den und ha­ben mich da­mit in­spi­riert. “Du kannst mehr als Du denkst” ist gleich­zei­tig auch ein Teil das Run of Spi­rit. Mit die­sen Wor­ten be­gann am Pfingst­mon­tag auch der Open-Air-Got­tes­dienst.

Wir hat­ten uns ver­sam­melt, um 30 Mi­nu­ten inne zu hal­ten, um nach­zu­den­ken und um uns auf den Lauf ein­zu­stim­men. Trotz der be­stehen­den Sprach­bar­rie­ren ge­lang es, zwi­schen al­len An­we­sen­den eine Ver­bin­dung zu schaf­fen. Zu die­ser Ver­bun­den­heit, die auf der Freu­de am Le­ben und dem Sport be­ruht und je­den ein­zel­nen in der Ge­mein­schaft des Run of Spi­rit, in der ich mich ge­bor­gen füh­le, stär­ker sein lässt und mo­ti­viert, möch­te ich für an­de­re ei­nen Zu­gang schaf­fen. Des­halb war ich den gan­zen Tag mit mei­ner Ka­me­ra un­ter­wegs, um die vie­len Emo­tio­nen der Teil­neh­mer ein­zu­fan­gen. Den ers­ten Start­schuss gab Hen­ry Wan­yoi­ke und sein Gui­de Jo­seph Ki­bun­ja. Über 200 Kin­der, Schü­ler und Ju­gend­li­che stürm­ten in den ers­ten drei Läu­fen um die Wet­te. Da schon­te sich kei­ner. Den meis­ten war viel Freu­de aber auch An­stren­gung an­zu­se­hen und alle wa­ren glück­lich, dass Ziel nach 400 Me­tern, nach ei­nem oder zwei­ein­halb Ki­lo­me­tern er­reicht zu ha­ben. Dort häng­te ih­nen als An­er­ken­nung für ihre Leis­tung die blin­de Ber­li­ner Läu­fe­rin Re­gi­na Voll­brecht eine Me­dail­le um den Hals. Un­ter ih­nen be­fand sich auch Uwe, der von sei­nem Be­gleit­läu­fer Sig­gi be­glei­tet wur­de. Uwe, der nicht se­hen kann und bis­lang nicht trai­niert hat­te, woll­te un­be­dingt auch beim Run of Spi­rit da­bei sein. So kam es, dass es Sig­gi, ein Läu­fer-Kum­pel von mir, sich re­gel­mä­ßig mit Uwe traf, um sich ge­mein­sam auf die 2,5 Ki­lo­me­ter lan­ge Di­stanz vor­zu­be­rei­ten. Und nun hat­ten sie es ge­schafft und wa­ren vol­ler Elan ins Ziel ge­stürmt. Ein wei­te­rer sehr be­we­gen­der Mo­ment. Par­al­lel dazu war auch auch schon Lo­thar Bänsch in sein Ren­nen ge­gan­gen. Wir hat­ten ihm ei­nen kei­nen Vor­sprung auf den Rest des Fel­des ge­ge­ben. Sein Ziel war es an die­sem Tag nach er­folg­reich über­stan­den Schlag­an­fall, erst­mals wie­der 10 Ki­lo­me­ter am Stück zu ab­sol­vie­ren. Freu­dig ge­stimmt zog er an mir vor­bei und hat­te nur ei­nes im Sinn: schnell sein.

Auch die Wal­ke­rin­nen und Wal­ker leg­ten in ei­nem ho­hen Tem­po los. Mar­cin Grabiń­ski und sein Gui­de Ka­zi­mierz Kord­ziń­ski führ­ten erst das Feld an und ka­men als Zwei­te ins Ziel. Ich kam mit mei­ner Ka­me­ra gar nicht über­all hin, wo ge­ra­de et­was los war. Denn auch die Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer am Bar­rie­re­ar­men Lauf wa­ren be­reits schon ak­tiv. Jeg­li­che Ge­schwin­dig­keits­be­gren­zung war an die­sem Tag auf dem Rund­kurs auf­ge­ho­ben und so ging es wirk­lich zur Sa­che. Vie­le hat­ten be­reits lan­ge für die­sen ei­nen Tag hin­trai­niert und wa­ren voll bei der Sa­che. Es wur­de ge­kämpft, ge­lit­ten und ge­ju­belt. 96 glück­li­che Ge­sich­ter er­reich­ten das Ziel, be­vor als nächs­tes die 5 Ki­lo­me­ter-Läu­fe­rin­nen und Läu­fer das Evan­ge­li­sche Jo­han­nes­stift un­si­cher mach­ten. Hier mach­te ei­ner vor­ne rich­tig Druck. Ma­xi­mi­li­an Meiß­ner von dem Leidig24 Tri­ath­lon Team. Zu­sam­men mit sei­ner Mann­schafts­kol­le­gen war er mei­ner Ein­la­dung ge­folgt und hat­ten auch Geld ge­sam­melt, um den Kü­chen­ein­bau in Hen­rys House of Hope in Ke­nia zu un­ter­stüt­zen. Er ge­wann den Lauf sou­ve­rän. Hin­ter ihm folg­ten span­nen­de End­spur­te am lau­fen­den Band. Nun war es auch end­lich für mich so­weit. Ich stell­te mei­ne Ka­me­ra ne­ben die Ziel­li­nie und ging mich um­zie­hen.

Als ich an der Ziel­li­nie ein­traf lie­fen die letz­ten 60 Se­kun­den bis es los­ge­hen soll­te. An­ge­spornt von so­viel Glücks­mo­men­ten der an­de­ren, konn­te ich den Start­schuss nun kaum ab­war­ten. Ich war mir nicht si­cher, wie schnell mei­ne Bei­ne nach den auf­re­gen­den Ta­gen sein wür­den, aber ich wuss­te, dass nun auch ich mei­nen Spaß beim Lau­fen ha­ben woll­te. Un­ter gro­ßem Ju­bel der Zu­schau­er am Stre­cken­rand wur­de die lauf­hung­ri­ge Men­ge auf die drei Run­den ge­schickt. Ich war froh, dass auch ein Teil mei­ner Fa­mi­lie den Weg nach Span­dau auf sich ge­nom­men hat­te und sich un­ten den Fans be­fand. Schnell schüt­tel­te ich die An­span­nung des Ta­ges von mir ab.

Jetzt hat­te ich mal eine hal­be Stun­de nur für mich, ohne an an­de­re den­ken zu müs­sen. Aber nein, so ganz stimmt das nicht. Ich war mir zwar si­cher, dass ich den Lauf zum zwei­ten Mal ge­win­nen konn­te, aber da gab es ja noch den Staf­fel­wett­be­werb. Kurz­fris­tig hat­te ich mich be­reit er­klärt, auch als Start­läu­fer für eine Mi­xed-Staf­fel vom Se­mi­na­ris Cam­pusHo­tel in Dah­lem zu fun­gie­ren. So woll­te ich auf der ers­ten Run­de kei­ne Se­kun­den auf der Stre­cke las­sen und wähl­te ei­nen schnel­len und gleich­zei­tig an­ge­neh­men Rhyth­mus. Hin­ter mir konn­te ich nur noch den Start­läu­fer Hol­ger Lei­dig für sein Tri­ath­lon­team aus­ma­chen. Es dau­er­te aber nicht lan­ge, da hat­te ich den Staf­fel­stab schon wie­der los. Vor der Stifts­kir­che ge­noss ich die ju­beln­de Men­ge, die alle Ak­ti­ven an­feu­er­te. Auf der zwei­ten Run­de ging es nun tie­fer in den Wald. Aus Er­fah­rung wuss­te ich, dass hier ein ho­hes Tem­po rat­sam ist, wenn man Mü­cken­sti­chen ent­ge­hen möch­ten. Also wur­de ich auch hier nicht lang­sa­mer. Bei Ki­lo­me­ter 6 er­reich­te ich Lo­thar, der es nun nicht mehr weit hat­te. Nur noch 500 Me­ter wa­ren es für ihn bis zum Ziel. Er wür­de es also tat­säch­lich schaf­fen, die 10 Ki­lo­me­ter un­ter 4 Stun­den zu ab­sol­vie­ren, wenn er sich nicht kom­plett ver­aus­gabt hat­te. In der drit­ten Run­de woll­te ich auch den Schluss­läu­fer des Tri­ath­lon­teams auf Di­stanz hal­ten. Das ge­lang mir dann auch und ich konn­te lo­cke­ren Schrit­tes auf die Ziel­ge­ra­de ein­bie­gen. Es war wie­der ein­mal ein un­be­schreib­li­ches Ge­fühl beim Run of Spi­rit ins Ziel ein­lau­fen zu dür­fen. Lo­thar war be­reits wohl­be­hal­ten und stolz wie Os­kar im Ziel an­ge­kom­men und nahm mich in Emp­fang. Wir gra­tu­lier­ten uns ge­gen­sei­tig und ich war dank­bar da­für, ge­sund und mit ei­nem Lä­cheln auf den Lip­pen den Vor­jah­res­sieg wie­der­ho­len zu kön­nen. Auf Platz zwei folg­te mir Haim aus Is­ra­el, mit dem ich frü­her vie­le ge­mein­sa­me Trai­nings­ki­lo­me­ter ab­sol­viert habe und der mir sehr ans Herz ge­wach­sen ist. Kurz da­hin­ter kam Ger­rit We­ge­ner ins Ziel. Auch mei­ne bei­den Staf­fel­part­ner leg­ten sich rich­tig ins Zeug. Wir ge­wan­nen die Mi­xed­staf­fel mit ei­ner Mi­nu­te Vor­sprung.

Bei der Sie­ger­eh­rung wur­den vie­le Po­ka­le und Ur­kun­den an die Schnells­ten al­ler zehn Wett­be­wer­be ver­ge­ben. Und auch für drei Läu­fe­rin­nen und Läu­fer aus dem Mit­tel­feld gab es eine be­son­de­re Aus­zeich­nung. Mein Spon­sor, der Bril­len­her­stel­ler Szi­ols, der auch alle Eh­ren­gäs­ten Hen­ry, Mar­cin, Shmu­el, Re­gi­na und ihre Gui­des mit ei­ner X-Kross Sport­bril­le be­dach­te, ehr­te stell­ver­tre­tend für alle alle Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer, die den Run of Spi­rit mit viel Lei­den­schaft er­folg­reich ab­sol­viert hat­ten, in Zu­sam­men­ar­beit mit dem Sport­bril­len­spe­zia­lis­ten Damm Bril­len drei Sport­le­rin­nen und Sport­ler aus Pots­dam und Ber­lin mit ei­ner Sport­bril­le. Seit ei­nem hal­ben Jahr freue ich mich je­den Tag auf Neue, dass ich auf die­se bei­den Part­ner bau­en kann und wir nun ge­mein­sam mehr er­rei­chen konn­ten. Ge­ra­de weil ich mit mei­nen Au­gen sel­ber ein Han­di­cap habe, kann ich mich gut in an­de­re hin­ein­ver­set­zen, die ohne Un­ter­stüt­zung kei­nen Sport trei­ben könn­ten. Mit der Sport­bril­le, die mit ei­nem op­ti­schen In­nen­clip per­fekt auf mich an­ge­passt wur­de, kann ich mich mit der best­mög­li­chen Sicht voll und ganz auf das Lau­fen kon­zen­trie­ren.

Erst spä­ter beim Auf­räu­men habe ich an­ge­fan­gen, die Bil­der des Ta­ges zu ver­ar­bei­ten. Die­se Do­sis der Emo­tio­nen war an die­sem Tag ein we­nig zu viel für mich. Ich habe ver­sucht al­les ab­zu­spei­chern. So kann der Run of Spi­rit auch im Nach­hin­ein neue Mo­ti­va­ti­on ent­fa­chen. Ich bin mir si­cher, dass, wenn wir die Idee wei­ter­tra­gen, noch viel mehr be­wegt wer­den kann. Für uns alle gilt, dass wir im Sport aber auch im Le­ben mit der rich­ti­gen Ein­stel­lung mehr er­rei­chen kön­nen, als wir heu­te noch für mög­lich hal­ten, denn “Du kannst mehr, als Du denkst!”

Fo­tos von An­dre­as Schwarz
Bei­trag auf Hauptstadtsport.tv