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Niels Bubel beim Oberelbe-Marathon 2016

Der dies­jäh­ri­ge Ober­el­be-Ma­ra­thon stand ganz im Zei­chen des April­wet­ters. Eine or­dent­li­che Kalt­front zog aus der Po­lar­re­gi­on über Deutsch­land hin­weg und be­scher­te den Läu­fe­rin­nen und Läu­fern bei der 19. Auf­la­ge des Ma­ra­thons von Kö­nig­stein nach Dres­den nicht nur ei­si­ge Tem­pe­ra­tu­ren, son­dern ei­nen un­un­ter­bro­che­nen stram­men Ge­gen­wind aus Wes­ten. Bei 3 Grad und Grau­pel­schau­er fiel der Start­schuss um 9:25 Uhr am Fuße der Fes­tung Kö­nig­stein mit­ten im Elb­sand­stein­ge­bir­ge. Nach mei­nem Stre­cken­re­kord im letz­ten Jahr, woll­te ich un­be­dingt auch in die­sem Jahr an den Start ge­hen. An der Spit­ze for­mier­te sich auf dem ers­ten Ki­lo­me­ter ein Quar­tett, das aus dem Ukrai­ner Vik­tor Sta­ro­dubtsev, der 2014 den Lauf ge­won­nen hat­te, Jo­seph Ki­bun­ja aus Ke­nia, Marc Schul­ze aus Dres­den und mir be­stand. Nach dem ers­ten Ein­rol­len, zog Marc das Tem­po an und der Ukrai­ner ging so­fort mit. Ich hielt mich et­was zu­rück, wohl­wis­send, dass ich mich erst seit vier Wo­chen im Trai­ning be­fin­de, nach­dem ich mich drei Wo­chen von der DM über 50km er­holt hat­te. Jo­seph wäre be­stimmt auch mit­ge­gan­gen, doch er ver­riet mir am Vor­abend, dass ihn eine Ver­let­zung in den letz­ten Wo­chen be­hin­der­te und er dar­auf Rück­sicht neh­men muss­te. Er war nach Deutsch­land ge­reist, um als Gui­de sei­nen er­blin­de­ten Freund Hen­ry Wan­yoi­ke in Han­no­ver vor zwei Wo­chen über die Ma­ra­thon-Di­stanz zur Pa­ralym­pic-Qua­li­fi­ka­ti­on zu füh­ren. Die­ses Ziel konn­ten die bei­den lei­der nicht er­rei­chen, weil Hen­ry auch von ei­ner Ver­let­zung aus­ge­bremst wur­de. Nun woll­te Jo­seph sei­nen ers­ten Ma­ra­thon seit neun Jah­ren ohne Hen­ry be­wäl­ti­gen.

Zu­nächst blieb ich dem Ukrai­ner und Marc noch auf Tuch­füh­lung, doch schnell muss­te ich fest­stel­len, dass die bei­den den pro­fi­lier­ten Ab­schnitt der Stre­cke viel zu un­ge­stüm an­gin­gen, um das Tem­po bis ins Ziel zu hal­ten. Ei­nen 5-km-Ab­schnitt lie­fen sie in un­ter 16:30min. Ich staun­te sehr als der Ukrai­ner noch wei­ter for­cier­te. Ich be­fand mich zu die­sem Zeit­punkt ca. 30 Se­kun­den da­hin­ter. We­nig spä­ter staun­te ich er­neut, als der Ukrai­ner sich am Stre­cken­rand auf den Bo­den ge­hockt hat­te. Das war das letz­te Mal, dass ich ihn sah. Nun spitz­te sich das Ren­nen auf ei­nen Zwei­kampf zu. Ich ver­such­te ganz lang­sam Marc nä­her zu kom­men. Doch bis zum Ein­gang in die Alt­stadt von Pir­na konn­te ich den Ab­stand nur auf knapp 20 Se­kun­den ver­kür­zen. Durch die Füh­rungs­rad­fah­rer wur­de ihm der ak­tu­el­le Ab­stand durch­ge­ge­ben, ohne dass er sich um­dre­hen muss­te. In Pir­na mach­te ich et­was Druck. Doch es wa­ren im­mer noch 15 Se­kun­den. Da­bei blieb es zu­nächst. Ich ent­schied mich dazu, die Lü­cke nicht mit ei­nem Zwi­schen­spurt zu schlie­ßen. Bei dem har­ten Ge­gen­wind wäre das si­cher­lich kei­ne gute Idee ge­we­sen. Die Halb­ma­ra­thon­mar­ke pas­sier­te ich nach 1:12:45 Stun­den. Nun be­gann der un­an­ge­neh­me Teil der Stre­cke: der Wind blies über die of­fe­nen Fel­der nun im­mer kräf­ti­ger ent­ge­gen. Die Ki­lo­me­ter­zei­ten wur­den zwangs­läu­fig lang­sa­mer. Bei Marc und in glei­chem Maße auch bei mir. Es ver­hielt sich, als ob ein ima­gi­nä­res Gum­mi­band zwi­schen uns ge­spannt war. Der Ab­stand pen­del­te zwi­schen 20 und 30 Se­kun­den. Kurz vor dem blau­en Wun­der ver­such­te ich es noch ein­mal. Ich kam noch ein­mal auf 10 Se­kun­den her­an. Doch das wa­ren in un­se­rem Tem­po eben fast 50 Me­ter. Kur­ze Zeit spä­ter fiel die Ent­schei­dung. Der Ge­gen­wind hat­te sei­ne vol­le Stär­ke er­reicht. Ich ver­lor die wich­ti­ge Lo­cker­heit und ver­krampf­te et­was. Der Schritt war nun nicht mehr so flüs­sig, die Fre­quenz ging run­ter und ich wur­de lang­sa­mer. Ich woll­te es nicht mit der Brech­stan­ge ver­su­chen und muss­te mich selbst dar­an er­in­nern, dass ich erst seit vier Wo­chen wie­der trai­nier­te. Das reich­te eben nicht, um an die­sem Tag mit Marc auf den letz­ten 7km mit­zu­hal­ten. Also kon­zen­trier­te ich mich auf den Kampf ge­gen den Wind. In der Fer­ne wa­ren nun die Brü­cken und Tür­me der Alt­stadt zu se­hen. Ich freu­te mich auf das Te­r­as­sen­ufer un­ter­halb der Sem­per­oper. Nun hat­te ich es ge­schafft. Ein Ma­ra­thon bleibt ein Ma­ra­thon. Im­mer­hin soll­te ich un­ter 2:30 Stun­den blei­ben. Kurz vor dem Sta­di­on hör­te ich Marcs Ziel­an­kunft. Er war heu­te der Stär­ke­re von uns bei­den und hat ver­dient ge­won­nen — er hat sich da­für mei­nen Re­spekt ver­dient und war mir im Ma­ra­thon-Du­ell und vor al­lem im Kampf ge­gen den Wind über­le­gen. Nach 2:29:15 Stun­den lief ich über die Ziel­li­nie. Ich war glück­lich und ge­schafft, gra­tu­lier­te Marc und ver­schwand un­ter der war­men Du­sche.

Es war wie­der mal ein tol­les Er­leb­nis. Uwe Sonn­tag und das ge­sam­te Team der Or­ga­ni­sa­ti­on des Ober­el­be-Ma­ra­thons ha­ben sich wie­der ein­mal selbst über­trof­fen. Da­mit liegt die Mess­lat­te für die 20. Aus­tra­gung im nächs­ten Jahr sehr hoch. Ich wäre sehr ger­ne bei die­sem Ju­bi­lä­ums-Ma­ra­thon da­bei, denn die Ma­ra­thon-Er­leb­nis­se an der Elbe sind ein­ma­lig. Und viel­leicht ist das Wet­ter dann auch in Ju­bi­lä­ums­stim­mung.